"Vergeltsīs Gott"
Ballade vom Vergelt´s Gott.
Beim Metzger erschien ein alt` Weiblein in Sitten;
Ein klein Stücker`l Fleisch nur, drum tät sie schön bitten.
Es lachte der Metzger „Ja kannst du`s bezahlen,
denn wenn Du kein Geld hast, ich wird Dir was malen“.
Da seufzte das Weiblein „Das ist es ja eben,
ich kann euch dafür ein Vergelt`s Gott nur geben“.
Da höhnte der Metzger „Das könnt dir so passen,
bei solchener Währung in Fleisch noch zu prassen“.
Drauf meinte das Weiblein „Versündigt euch nicht,
es hat ein Vergelt`s Gott doch auch sein Gewicht“.
Da lachte der Metzger „Wir wollen`s versuchen,
wie viel fürs Vergelt`s Gott an Fleisch ist zu buchen“.
„Ich leg`s auf die Waag` hier, das Stücker`l vom Schwein
und du legst dafür dein Vergelt`s Gott hinein“.
Das Weiblein bedankt sich demütig dafür
rasch schrieb sie das Wort auf ein Stückchen Papier.
Und legt`s auf die Schale die wartend noch leer
Und siehe sie senkt sich, wuchtig und schwer.
Da stutzte der Metzger und hieb auf gut Glück
Vom Schweinernen ab noch ein wuchtiges Stück.
Doch siehe, die Schale sie senkte sich nicht
noch zeigte sich beides nicht gleich an Gewicht.
Das riss es den Metzger verzweifelt herum,
er legt noch dazu ein gewaltiges Trumm.
Da sagt nun das Weiblein „Oh haltet nur ein,
ich meine es wird doch genügend nun sein“.
Da stellte die Waage sich plötzlich auf gleich.
Der Metzger er ward wie ein Mehlsack so bleich.
Er schob ihr das Fleisch zu, „Nehmt alles nach Haus,
ich geb` es euch gerne, es macht mir nichts aus“.
Er sah wie sie still durch die Türe entschwand,
ein Schimmer umstrahlte ihr ärmlich` Gewand.
Der Metzger er sah wie entgeistert ihr nach,
er lauschte der Stimme die jetzt zu ihm sprach.
Die Stimme betraf ihn im innersten Kern.
Die Stimme des Mitleids - Die Stimme des Herrn!
(Verfasser: Franz Karl Ginzkey (1871-1963)